Samstag, 21. Juli 2007

Sternchen

Das Sternchen ist viereinhalb Jahre alt und wächst und wächst. Je größer sie wird, umso klarer wird mir, dass sie bald ein Stern sein wird, und dann kann sie nichts mehr davon abhalten nun iherseits zum Planeten zu werden, mit eigener Galaxie und allem Pipapo. Und wenn ich noch mehr Sternchen bekomme, werden auch sie zu Sternen, sie bleiben einfach nicht klein, das kannst du vergessen.
Früher habe ich immer genervt mit den Augen gerollt, wenn meine Mutter zum zigsten Male davon sprach, wie ich als Dreijährige ein Gedicht aufgesagt habe oder wie ich mir die Narbe über dem Auge geholt habe oder wie dreckig ich immer nach Hause kam. Wie ich mir in der ersten Klasse im Sportunterricht den Arm gebrochen habe oder wie mir der erste Zahn gezogen wurde, als ich zwölf war. All die ollen Kamellen. Für sie waren es kostbare Erinnerungen.
Mein Sternchen liegt nun nebenan, zusammengerollt seitlich quer in ihrem Bettchen, nichts sieht schöner aus, nichts hat jemals für jemanden schöner ausgesehen, wie für mich dieses Sternchen mit den dicken Bäckchen, wie es da liegt und leise atmet und die Fäustchen ballt, als gäbe es was zu kämpfen. Ja. Ein Kampf ums Größerwerden, ich hab ihn längts verloren gegeben.
Als Kind habe ich Pippi Langstrumpf geliebt, verehrt mit großer Hingabe. Dass sie allerdings die Krumelnuss gebeten hat, sie niemals "gruß" werden zu lassen, wollte ich nicht verstehen. Groß zu werden, war damals mein erklärtes Ziel. In zielstrebigen Etappen: Kindergarten. Schulkind sein. Im Auto vorne fahren. Personalausweis bekommen. Auto fahren. Ausziehen.
Nun schau ich mir das Sternchen an und schon gehe ich mit Pippi konform. Gebt mir eine Krumelnuss, eine, die auch mich nochmal Kind sein lässt, die mich ins Zuckerland bringt mit meinem Sternchen, wo wir beide ewig lachend in die untergehende Zuckersonne laufen.
Aber ich habe auch Pinocchio geliebt, wenn auch nicht verehrt, und daher weiß ich, dass auch ewige Kindheit und Leichtigkeit nach hinten losgehen können. Also lass ich das Sternchen lernen und wachsen und sich sorgen und verknallen und streiten und Freunde finden und verlieren und größer und größer werden. Mir bleibt nichts anderes übrig, als zuzusehen, die Pflaster zu reichen und gute Ratschläge zu geben. Manchmal ist mir, als müsste ich vor lauter Liebe schier auseinanderplatzen. Jetzt grade zum Beispiel. Ich seh wohl nochmal nach, vielleicht haben sich die Fäuste entspannt...

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